Am Sonntag dem 20. Oktober 2024 sollte es für mich zum 3. Mal auf die Mitteldistanz in Porec (Istrien, Kroatien) gehen. Zu unterbieten waren 5 h 26 min aus dem vergangenem Jahr. Gut vorbereitet und trainiert war ich. Das Wetter versprach beste Voraussetzungen und mein Fanclub, bestehend aus Katja und Kira, sollten mich wieder lautstark an der Strecke anfeuern.
Einen Tag zuvor, am Samstag, hatte Kira ihr 3. Stelldichein beim Ironkids, bei dem es ihr um die Titelverteidigung bei den Mädchen in der AK 13/14 des letzten Jahres ging. Souverän gestaltete sie ihr Rennen und musste sich nur knapp einer deutschen Konkurrentin geschlagen geben. Daumen hoch für eine Pace von 3:42 min/km über die anderthalb Kilometer. Die meisten von uns dürften nach dieser Aktion ein Sauerstoffzelt benötigt haben!
Mein ebenfalls 3. Ironman 70.3 in Porec war schon ein Spektakel. Die Messe im Vorfeld, das Racebriefing, der familiäre Charakter, das Rennen an sich, alles war irgendwie vertraut und dennoch Gänsehaut pur und sollte einige Überraschungen bereithalten. So z.B., dass von 1800 gemeldeten Teilnehmern knapp 700 !!! Teilnehmer absolute Mitteldistanz-Neulinge waren. Die sogenannten Rookies wurden von den Senioren dieser Sportart mit tosendem Applaus beim Racebriefing empfangen. Auch ich durfte mich einmal kurz feiern lassen und Applaus einheimsen, war ich doch einer von 44 Teilnehmern, die sich in Porec das 3. Mal, seit Bestehen, an die Startlinie stellten.
Und so ging ich, hoch motiviert, am Sonntag pünktlich um 8:08 in der 19 Grad warmen/kühlen Adria auf die insgesamt 113 km lange Reise. Nach 38 Minuten und 1900 m hatte ich im Wasser genug und erreichte gut gelaunt den Schwimmausstieg. Die Wechselzone war zu dieser Zeit ordentlich besucht, sodass ich nur einen Stehplatz fürs Umziehen in biketaugliche Klamotten ergatterte. Etwas längere Wege, hin zum Bike erschwerten mir dann zusätzlich dieses Jahr eine besser T1-Zeit zum Vorjahr. Alles in allem schnappte ich mir mein Rad in einer Gesamtzeit von 43 Minuten. In dieser Zeit habe ich letztes Jahr gerade das Wasser verlassen!
Läuft, … dachte ich mir! Jetzt kommt meine Paradedisziplin! 90 km Rad! Hier kann ich weiter Boden gut machen! Der Start lief gut. Ich hatte einen guten Tritt drauf und kassierte von Beginn an einen Radfahrer nach dem nächsten. Ich liebäugelte mit der für mich magischen 5 Stunden-Grenze für die Mitteldistanz, vorausgesetzt ich unterbiete eine Radzeit von 2 h 30 min. Nun ja, ich sollte leider in 7 Minuten eines Besseren belehrt werden.
Rückblende: 3 Tage zuvor habe ich an meinem Bike den Lenker etwas gerichtet und wahrscheinlich eine Schraube nicht fest genug angezogen. Man kann sich denken was nun kommt!
Gegenwart: In Aeroposition (60 – 70 % des Körpergewichts liegen auf dem Lenker) bin ich bei km 5 durch eine Bodenwelle gefahren, infolge dessen sich mein Steuersatz gesetzt und verkantet hat. Mein Bike war ab diesem Zeitpunkt kaum lenkbar. Ich konnte keine Aeroposition mehr fahren, nur noch aufrecht mit breiter Griffposition (wie auf den Bildern zu sehen), war also wie ein Segel im Fahrtwind und musste ab da an 40 bis 50 % mehr Kraft aufbringen, um überhaupt noch einen ü-30 km/h Schnitt zu halten. Trinken während der Fahrt glich einem Himmelfahrtskommando und war unmöglich. Gelenkt habe ich fast ausschließlich mit der Verlagerung meines Körpergewichts, anstatt mit den Armen. Von hinten muss mein Fahrstil ausgesehen haben, wie der eines sturzbetrunkenen Fahrradfahrers. 7 km lang habe ich über ein Aufgeben nachgedacht, da bis zu diesem Punkt der Heimweg zu Fuß nicht allzu weit war. Weil ich die Strecke jedoch kannte und wusste, dass es größtenteils geradeaus ging, entschloss ich mich, weiter zu machen und nicht aufzugeben. Nach gefühlt endlosen 85 km und 2 h 43 min habe ich das Ziel erreicht, … dachten meine schweren Beine, die nicht mehr wollten und mein verkrampfter Oberkörper. Aber nein, … das war erst das zweite Etappenziel! Das Andere ist nur noch einen Halbmarathon von mir entfernt. Na wenn‘s weiter nichts ist …!
Ich schleppte mich und mein Bike in die Wechselzone und machte mich für den Laufpart fertig. Hektik oder Stress konnte ich mir nun schenken. Um mein eigentliches 5-Stunden-Ziel zu erreichen, hätte ich den Halbmarathon in für mich überirdischen 1 h 25 min rennen müssen. Mir blieb am Ende nur, locker in den Lauf zu finden und jede Wasserstelle ausgiebig zu nutzen, um mich wieder zu hydrieren. So gelang es mir dann doch noch mit einem Lächeln auf dem Gesicht und einer 5:45er Pace, die wunderschöne Strecke entlang der Küste, umsäumt von Palmen und Pinien zu genießen. Ich spulte die Kilometer ab (immer einen Schritt nach dem anderen), herzte Katja und Kira am 10k Wendepunkt und ließ mich von den Beiden mit grandioser Motivation auf die 2. Runde schicken. Bei km 18, das Ziel in Sicht- und Hörweite, platzte schließlich der letzte Knoten in meinem Kopf und ich erlebte eines der schönsten Runner‘s High meiner Laufkarriere. Die Tränen liefen unkontrolliert, da mir an dieser Stelle bewusst geworden ist, dass ich trotz alle widrigen Umstände am heutigen Tag, meinen 3. Ironman 70.3 so gut wie in der Tasche hatte.
Die folgenden 3 km vergingen wie im Flug und wurden von unzähligen Zuschauern und Finishern, zum Teil mit High-Five honoriert. Die letzten 200 m, der Einzug auf die Zielgerade, auf den roten Teppich, sind nicht in Worte zu fassen und ließen die Strapazen der vergangenen Stunden sofort vergessen. Mit 5 h 36 min stand zwar keine neue Bestzeit auf der Uhr, mir dafür ein umso stolzeres Lächeln im Gesicht.
Ironman 70.3 Porec, ich gebe mich noch nicht geschlagen! Ich komme wieder und werde dich auch ein 4. Mal bezwingen! Vielleicht ja dann mit mehr Glück und genau so tollen Wetterbedingungen wie in diesem Jahr.