Der alte Mann und das Meer

-von Felix Fache –

Martin Götze, Sven Grunert und Frank Maasdorf riefen und alle, alle kamen. Nunmehr schon die 16. Auflage der legendären Ostseetour an einem Tag mit den Rädern von Leipzig an die Ostseeküste. Ziel war in diesem Jahr Markgrafenheide mit avisierten 450 km.
Für mich war es die elfte Tour und nach zweijähriger „Zwangspause“ ein Wiedereinstieg. Das hängt mit der Terminüberschneidung seit 2013 mit dem Skatstadt-Marathon in Altenburg zusammen, bei dem ich seit der Premiere immer dabei war. In diesem Jahr habe ich nun die Serie dort abreißen lassen und mich wieder mal aufs Rad geschwungen.
120 Gleichgesinnte versammelten sich am 13. Juni ab 3 Uhr auf dem Augustusplatz in Leipzig. Taschen für das Ziel auf den Lkw, Tagesrucksäcke mit Wechselklamotten und Kleinigkeiten für unterwegs in die Begleitfahrzeuge, Radshirt empfangen, Haftungserklärung unterschreiben, noch einen Happen essen und etwas trinken und schon schlagen die Glockenmänner 4 Uhr und die Hatz beginnt. Vorbei an der Neuen Messe auf die B2 nach Bad Düben. Langsam beginnt es hell zu werden und durch Nebelschwaden kommen die ersten Sonnenstrahlen. – Ein schöner Tag beginnt. Das Peleton rollt ruhig und gleichmäßig dahin, aus den Boxen des Führungsfahrzeuges erklingt Musik und die motivierende Stimme von Nicole.
Bald schon sind wir hinter Dessau und schon haben wir nach 87 km die erste Pause.

Wenn es weiter so rollt, wird der Zeitplan mehr als nur eingehalten. Aber wie heißt es – abwarten und Tee trinken.
Über Wiesenburg, Ziesar und Hohenseeden erreichen wir Güsen und damit den 2. Stopp nach ca. 180 km.
Nun geht es über Fischbeck und Hindenburg nach Werben und schon grüßt uns der „Deutsche Hof“ und lädt zum Mittagessen ein. Essen, Trinken, teilweise Klamotten wechseln und bange Blicke in den Himmel werfen. Die Sonne hat sich hinter Wolken versteckt – bleibt es trocken? Das zeigt sich nach ca. einer Stunde – es beginnt zu regnen. Die Straße wird nass und eine vorsichtigere Fahrweise ist angesagt. Bis zur nächsten Rast, die wir wegen einer Umleitung von ca. 20 km deutlich später  nach ca. 340 km erreichen sind die Radler und auch die Straßen wieder trocken. Das dicke Ende kommt aber noch.
Auf der Etappe nach Bützow zum 5. Boxenstopp kommen wir in heftige Schauer, gegen die auch keine Regensachen helfen. Also – Augen zu und durch. 50 km vor der Fähre in Warnemünde eine kurze Pause in Bützow zum Essen und Klamotten wechseln. Danach geht es unverzüglich weiter. Ich zog mich im Begleitbus um, in dem schon einige Aussteiger saßen (Schwäche, Stürze) und wollte mich wieder ins Feld einreihen – aber ich sah nur noch das Blaulicht der uns begleitenden Polizeifahrzeuge. Scheiße !!! Ich schwang mich aufs Rad und wusste natürlich genau, dass ich diese Giganten der Landstraße niemals einholen kann. Also 50 km alleine durch Wind und den wieder einsetzenden Regen, der immer kälter und stärker wurde.

Nach ca. 10 km überholte mich ein im Tross mitfahrender PKW, dem ich bedeutete mich im Windschatten hinterher fahren zu lassen. – Der Wille der Fahrerin war da, aber es ist nicht einfach einen Radfahrer mit entsprechend angepasster Geschwindigkeit hinter sich fahren zu lassen. Nach wenigen km gaben wir die Übung auf und ich war wieder allein; nicht zu Haus – sondern auf der Straße!!! Zum Glück kam dann doch etwas später einer der uns begleitenden Kleintransporter von „Profiroll“ Bad Düben. Dieser passte seine Fahrweise meinem Tempo an und gab mir Windschatten. So kamen wir über Bad Doberan kontinuierlich bis zur Fähre.
Vor Bad Doberan fingen wir noch einen Versprengten ein und ich hoffte schon auf einen Gesprächspartner – aber nein, er stieg samt Fahrrad ein. Hier noch mal mein Dank an Profiroll – der an der Heckklappe die Aufschrift „Wir unterstützen den Kinder- und Jugendsport“ trägt.  Diese kann jetzt ergänzt werden: „Wir unterstützen den Kinder-, Jugend- und Seniorensport“.
An der Fähre trafen wir noch einige Pedaleure, die das Feld auch hatten ziehen lassen

müssen. Überfahrt und nach ca. 3km die Lichter des Camps – inzwischen war es 23 Uhr. Zu meiner Überraschung waren noch alle Sportfreunde im Speisesaal und  sogar noch an der Essenausgabe. – Soviel später waren wir also gar nicht da. Ich war klatsch nass und durchgefroren, schlotterte am ganzen Körper. Nach Bier und Essen sah die Welt schon wieder freundlicher aus.
Als aufwändig erwies sich dann für alle noch die Suche nach dem zugewiesenen Bungalow. Wer sich dieses Wirrwarr der Nummerierung ausgedacht hat, wollte wahrscheinlich die NSA auf die falsche Fährte locken. Bungalow gefunden, Heizung und Durchlauferhitzer angestellt und – was und?  Wo ist der LKW mit unseren Taschen? Zum Glück hatten wir unsere Tagesrucksäcke und konnten so doch noch nach dem Duschen mit trockenen Sachen in die Heia gehen. Inzwischen war es 1:30!! Wir waren also fast 24 Stunden auf den Beinen.

Die Nacht war kurz und der LKW mit den Sachen da. Frische Sachen an, frühstücken, Taschen und Räder verladen und ab an den Strand zur Gigantentaufe.

Martin hatte wie immer flotte Sprüche, dankte zuerst dem Begleitpersonal und dem medizinischen Dienst, erwähnte den Aufwand in der unmittelbaren Vorbereitung (u.a. – hunderte von Brötchen für die Pausen schmieren) und kam dann zur Taufe. Jeder bekam ein paar Tropfen Ostseewasser auf den Kopf und wurde danach zur Urkundenübergabe nach vorn gerufen. Diese zeigt 2 Radrennfahrer, die durch knietiefes Wasser fahren – als hätte er gewusst, wie die diesjährige Tour verläuft.

Der Taufspruch lautet: schwarzes Gesicht, braune Arme, zitternde Beine und ein wunder Hintern – gezeichnet von den Strapazen des 450 km lange währenden Kampfes erreichte

 „XYZ“
nach 15:13 Stunden das ersehnte Meer. Damit wurde der Titel
Gigant der Landstraße
erkämpft und darf nun für immer und ewig getragen werden.
Dieser Titel berechtigt gleichzeitig zum Tragen einer Rennfahrermütze.

Diese Rennfahrermütze erhielt dann jeder Täufling.

Urkunde Felix

Nun gab es große Abschiedsszenen, weil ja nicht alle mit den Bussen wieder mit nach Leipzig fuhren und das Versprechen, im nächsten Jahr wieder dabei zu sein.

Fazit: der Plan ist eine Vorgabe, wie er umgesetzt werden kann, ergibt sich immer aus den Randbedingungen – wie auch diesmal: Wind, Regen, Kälte, die obligatorischen Kopfsteinpflasterpassagen und natürlich, wie jedes Jahr – längere Trasse (Umleitung)

Vielleicht gibt es neben Stefan Koitz und Gerrit Ryborz, die ebenfalls mit radelten, doch den oder die Anderen, der/die das mal selbst probieren möchten, wenn es 2016 wieder losgeht.

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